Wie sieht denn der Arbeitsalltag der Bedburger Schulsozialarbeit im Corona-Alltag aus?
Wir sind sehr daran interessiert unsere bestehenden Kontakte auch während dem Distanzunterricht/ Lockdown zu halten. Neben einem erhöhten Bedarf an Beratungsgesprächen steht die Beziehungsarbeit mit den Schüler:innen klar im Vordergrund. Wir haben als Schulsozialarbeit in Kooperation mit Schule und Caritas die Notbetreuung organisiert und umgesetzt und sind im Anschluss mit Einzelgesprächen und Hausbesuchen unserer Kernarbeit nachgegangen.
Welche wesentlichen Problemfelder haben sich neben den Lerndefiziten während der Corona-Krise an den Bedburger Schulen am Campus aufgetan?
Hmm, die Regeln und der Distanzunterricht waren sicherlich für alle gleich, die Voraussetzungen, Bedürfnisse und das Zuhause aber nicht. Nach unserer Erfahrung gibt es Auswirkungen der Corona-Krise in jeder sozialen Schicht und Altersgruppe. Viele Schüler:innen zeigen Symptome einer hohen psychischen Belastung auf. Dabei spielen Versagensängste, Isolation bis hin zu Depression öfter als vorher eine Rolle. Hinzu kommt eine ungesündere Freizeitgestaltung. Statt im Vereinssport wird jetzt häufiger und mehr Zeit vor der Konsole/Online verbracht.
Was berichten Euch Jugendliche ganz konkret von häuslichen und persönlichen Problemen, die eindeutig auf die Coronazeit zurück zu führen sind?
Isolation ist wie gesagt ein großes Thema. Fehlender Austausch, kaum Bewegung und Überforderung mit dem digitalen Unterricht. Wenn es dann zu Hause auch noch zu Konflikten kommt oder Gewalt ausgeübt wird, fühlen sich viele alleingelassen. Sie wissen nicht wie und wo sie sich hinwenden können.
Themen wie Mobbing und Beziehungsstress sind viel weniger geworden, dafür haben sich sowohl familiäre Konflikte als auch Symptome einer psychischen Belastung verdoppelt.
Wie habt Ihr als Schulsozialarbeiter:in darauf reagiert?
Im Team haben wir uns so gut es ging auf die Lockdowns vorbereitet. Wir waren durchgehend vor Ort und für die Schüler:innen, Eltern und Lehrkräfte ansprechbar, dadurch war eine schnelle Hilfe bei Bedarf möglich.
Im letzten Jahr gab es verschiedene Angebote wie beispielsweise das Kino für Zuhause und einen Online-Zeichenkurs. Dabei konnten die Schüler:innen in Kontakt mit anderen bleiben und einer sinnvollen Freizeitgestaltung nachgehen.
Was braucht Schule jetzt?
Geduld und Toleranz. Schule braucht Kontinuität, um sich wieder „einzuspielen“ und anzukommen. Für eine gelungene Bildungsarbeit braucht es das Gefühl von Sicherheit, Zugehörigkeit und natürlich braucht es uns!
Welche besonderen Herausforderungen kommen post-Corona auf die Schulsozialarbeit zu?
Das soziale Miteinander aber auch die Möglichkeit einer altersgerechten Identitätsbildung wurden im letzten Jahr stark eingeschränkt. Dies macht sich bei einer Klassenstärke von 25-30 Schüler:innen direkt bemerkbar. Von jetzt auf gleich sitzen die Schüler:innen wieder mit allen in einer Klasse und treffen noch viele mehr auf dem Schulhof. Konflikte sind vorhersehbar. Hinzu kommen individuelle Themen wie bspw. ADHS und Autismus Spektrum Störung. Aber nicht nur diese Schüler:innen stellt das vor eine große Herausforderung. Eine weitere Folge sind abgehängte Schüler:innen, wodurch Absentismus schulübergreifend stark zugenommen hat Die fünften Klassen haben sich zwar digital alle gesehen, aber das Kennenlernen und die wichtigen Gruppenphasen (storming/forming etc.) starten jetzt, am Ende des Schuljahres.
Unserer Einschätzung nach wird der Bedarf an Beratungsgesprächen weiterhin zunehmen, ebenso wie die Anfragen bzgl. der Klassentrainings. Soziale Kompetenzen fördern, fremde und eigene Grenzen erkennen, aber auch Stabilisierung von Psyche und Persönlichkeit werden sicherlich im Fokus stehen.
Was wünschst Ihr Euch für das neue Schuljahr?
Gelassenheit. Damit ist keine Egal-Haltung gemeint, vielmehr die Fähigkeit mit der Mehrarbeit und den herausfordernden Themen weiterhin gut umgehen zu können. Die Kooperation mit den Bedburger Schulen und der Stadt läuft gut und wird zukünftig sicher noch mehr ausgebaut und gefordert werden: gemeinsam sind wir stärker!